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Die Digitalisierung und Eventisierung der Fitness-Branche

Updated: Apr 5, 2020

Trifft der Strukturwandel nach dem stationären Detailhandel bald auch die Fitness-Studios in der Schweiz?

Fitnesscenter Schweiz
Im Januar herrscht Hochbetrieb in den Fitnesscentern
 

Die besten Kunden sind die, die nicht kommen

Haben Sie über die Festtage auch zu viel geschlemmt und sich nun für das neue Jahr gute Vorsätze gemacht, die überflüssigen Pfunde rasch wieder zu verlieren und mehr Sport zu treiben? Nun, mit diesen guten Vorsätzen sind Sie nicht alleine.


Zum Jahreswechsel ist Hochsaison bei den Fitnessstudios. Der Januar ist der beste Monat bei den Neuanmeldungen und so sind die Studios dann auch entsprechend voll. Ungefähr ab März machen sich dann aber genau die Mitglieder mit den guten Vorsätzen auch schon wieder rar, denn für ein regelmässiges Training muss der innere Schweinehund überwunden werden. Und das schaffen längst nicht alle.


Die Neukunden zu Jahresbeginn sind so auch die liebsten Kunden der zahlreichen Fitnessstudioketten. Das teure Jahresabo läuft auch bei Abwesenheit gnadenlos weiter und die Passivkunden lassen den Stammkunden mehr Platz in den oft ohnehin schon vollen Studios. Fitnessstudios kalkulieren daher bewusst mit den Faulen. Um wirtschaftlich zu sein, müssen sie mehr Mitglieder aufnehmen, als sie eigentlich Kapazität hätten.


Ein Milliardenmarkt

In der Schweiz gibt es gemäss Branchenreport des Schweizerischen Fitness- und Gesundheits-Center Verbandes (SFGV) rund 1,200 Fitnessststudios. Die Clubs haben 900,000 Mitglieder, d.h. fast jeder neunte Einwohner hierzulande hat eine Mitgliedschaft. Die Anzahl der Anbieter hat gemäss SFGV zwischen 2015 und 2018 um ca. 35% zugenommen. Auch die Mitgliederzahlen sind in den vergangenen Jahren analog stark gestiegen.


Wie viele der Fitnessclubmitglieder nach einer euphorischen Anfangsphase den Weg in ihr Studio nicht mehr finden und ihr Abo allein aus schlechtem Gewissen, Bequemlichkeit oder Zeitmangel nicht kündigen, ist nicht bekannt. Wenige dürften es aber nicht sein. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zur Hälfte aller einmal abgelaufenen Abonnements nicht mehr erneuert werden. Bei einem Gesamtumsatz der Fitnesscenter in der Schweiz von knapp 1 Mrd. Franken und ca. 28,300 Mitarbeitern muss somit jedes Jahr eine enorme Anzahl von Neukunden gewonnen werden, da sonst das Geschäft zusammenbrechen würde.


Veränderte Werteinstellungen fördern Fitness

Geräteloses und gemeinsames Training liegt im Trend, wie z.B. Yoga oder Zumba

Aktuelle Trends sprechen durchaus dafür, dass dies auch weiterhin gelingen kann, denn ein Leben mit mehr Bewegung, einer gesunden Ernährung, Freizeit und guten sozialen Kontakten ist für immer mehr Menschen ein Wert, der mittlerweile deutlich höher angesiedelt wird, als materieller Konsum oder eine klassische Karriere mit Überstunden und Dienstreisen. Das Trendwort "Mindfulness", also Achtsamkeit berührt viele Lebensbereiche und insbesondere auch den eigenen Körper und die Psyche. Vieles spricht dafür, dass es sich dabei nicht nur um einen kurzfristigen Trend handelt sondern um einen Megatrend. Yogakurse erfreuen sich grosser Beliebtheit und Firmen wie Lululemon Athletica Inc. (LULU), die modische Yokabekleidung verkaufen, veröffentlichen Jahr für Jahr steigende Verkaufszahlen, übrigens auch im stationären Handel.


Migros und Coop investieren in Fitnessketten

Die zwei mit Abstand grössten Detailhändler in der Schweiz, Migros und Coop setzen seit Jahren auf den Trend zu Gesundheit und Fitness. Die beiden Grossverteiler mischen kräftig mit im Milliardenmarkt der Fitnessbranche. Gemäss aktueller Erhebungen der BILANZ (Bilanz 01/2020) ist Migros in der Schweiz mit 138 Clubs (Migros Fitnesscenter, ONE Training Center, M-FIT, Flower Power, ACTIV FITNESS, Only Fitness) Marktführer vor der Westschweizer Let's Go mit 62 Studios und der Kette Update Fitness mit 52 Filialen. Coop ist der Hauptaktionär bei Update Fitness. Migros hatte 2017 alle Studios der Genfer Silhouette Wellness SA übernommen. Noch sind allerdings die Mehrheit der Fitnessstudios in der Schweiz Einzelbetriebe. Nur ca. 30% der Studios sind in der Hand von Ketten.

Fitness Schweiz
Fitnessketten in der Schweiz

Es herrscht ein knallharter Verdrängungsmarkt. Für die Einzelbetriebe ist es schwer, mit den Skaleneffekten der Ketten zu konkurrieren und so wird es voraussichtlich zu weiteren Übernahmen oder Schliessungen kommen. Doch auch bei den Ketten sind längst nicht alle Studios profitabel. Dies zeigt auch der Verkauf der zur Migros Ostschweiz zugehörigen Fitnesskette M-Fit. Die 15 Ostschweizer MFIT-Fitnessstudios wechseln per Anfang 2020 zu der zur Migros Zürich gehörenden Fitnessanbieterin ActivFitness. Auch ausserhalb der Schweiz ist Migros mit den Fitnesscenterketten Elements (Deutschland) und Injoy (Deutschland, Österreich, Belgien) vertreten. Am Umsatz gemessen ist Migros europaweit drittgrösster Anbieter (Deloitte, European Health & Fitness Market Report 2019).


Trend zur Eventisierung

Angesichts des Gesundheitstrends und der Achtsamkeitsbewegung kann man eigentlich kaum bezweifeln, dass Fitnesscenter eine lohnende Investition sind und das Wachstum weiter anhält. Zudem betreiben immer mehr Altersgruppen Sport und auch Ältere haben das Fitnesscenter für sich entdeckt. In jüngster Zeit zeichnen sich aber Trends in der Fitnessbranche ab, die zumindest bei solchen Konzepten Sorgenfalten hervorrufen sollten, die bisher im wesentlichen auf die Bereitstellung von Fitnessgeräten und vielleicht noch ein paar wenige Kurse setzen, wozu derzeit wohl die Mehrheit der Studios in der Schweiz gehört.


Denn aktuelle Trends, von denen viele aus den USA und UK kommen, gehen in eine Richtung, welche sich nicht nur auf die Benutzung von Geräten und Krafttraining beschränkt. Vielmehr spielen mittlerweile Themen wie Mental Well-Being, Ernährung, funktionales Training und Sportarten wie Schwimmen, Yoga, Cycling, Zumba, Crossfit, HIIT, Boxing, Yoga und Pilates aber auch Tanzen und Meditation eine immer wichtigere Rolle. Auffällig viele dieser Trends benötigen keine besonderen Geräte und damit eigentlich auch kein Fitnesscenter mehr. Hier liegt der Mehrwert der Studios eher in der individuellen Beratung, aber vor allem in dem gemeinsamen Erlebnis in der Gruppe, womit soziale Faktoren eine viel grössere Rolle spielen als im klassischen Fitnesscenter, bei der jeder meist mit Kopfhörern auf seinem Gerät isoliert trainiert.


Einige kleine unabhängige Nischenplayer setzen explizit  auf die Gruppendynamik und haben neue Trends in die Schweiz gebracht. Einer dieser Newcomer ist z.B. Velocity in Zürich. Auf seiner Webseite stellt sich das Unternehmen als Zürich’s erstes Indoor Cycling und Strength Training Fitness Studio vor. Der "Cycling Room" ist in schwarz gehalten und erinnert eher an einen Berliner Techno Club als an ein Fitnesscenter, die sonst eher nüchtern und zweckmässig gehalten sind. So wird auf der Webseite dann auch das hochmoderne Soundsystem und die Club-Atmosphärenbeleuchtung gesondert hervorgehoben. Auf an den Trainingsgeräten angebrachten Monitoren kann man auf Wunsch auch sehen, wie man sich aktuell im Vergleich zu den anderen Teilnehmern eines Kurses schlägt. Es gab auch bereits Cycling Events gemeinsam mit der Diskothek Kaufleuten. Diesen Coolness Faktor erreichen die herkömmlichen Fitness Center natürlich nicht. Mit Open Ride und Spark Cycle gibt es mittlerweile weitere Indoor Cycling Anbieter in Zürich mit ähnlichem Disko Ambiente. Vorbild dieser Indoor Cycling Konzepte ist der grosse Erfolg von SoulCycle aus den USA.


Auch John Reed Fitness setzt auf die Club Atmosphäre mit Musik. Die Tochter-Kette von McFit, dem Discount Fitnesscenter Konzept aus Deutschland, hat in der Schweiz im Frühjahr 2019 ihr erstes Studio in Zürich Oerlikon eröffnet. Weitere John Reed Studios gibt es bereits in Deutschland, insbesondere in Berlin sowie in Budapest, Prag, Venedig, Salzburg und Istanbul. Die Räumlichkeiten erinnern weniger an ein Fitnesscenter als vielmehr an eine Diskothek bzw. Pub. Neben den Fitnessgeräten wird dabei viel Wert gelegt auf Musik, sogar mit einem eigenen John Reed Radiosender und 2-wöchentlichem DJ. Ein weiterer Fokus liegt auf dem Kursangebot, wie z.B. Zumba, Pilates und Body Toning oder Yoga. Einige Kurse werden über screens live übertragen und so sieht man seinen Yoga Lehrer dann live aus der kalifornischen Wüste, was natürlich nochmal ein ganz anderes Ambiente und vielleicht das notwendige Quäntchen extra Motivation bringt.


Digitales Fitness

Neben den neuartigen Fitnessstudio-Konzepten die auf Lifestyle, Atmosphäre, Musik und insbesondere das gemeinsam erlebbare Event setzen, kommt nun ein weiterer Trend aus den USA in Europa an. Smarte Home Gym Geräte von Unternehmen wie Peloton, Mirror oder Hydrow möchten das Gemeinschaftsgefühl einer Live-Klasse und die Atmosphäre, die Konzepte wie SoulCycle bieten, nach Hause bringen.


Peloton Fitness store
Peloton showroom in Santa Monica, CA

Peloton, ein Unternehmen aus New York, wurde 2012 gegründet. Peloton hat zahlreiche Geschäfte in den USA und Kanada und ist nun auch in Europa mit ersten Geschäften vertreten. Zunächst in UK, und seit 2019 auch in Deutschland. Dort hat Peloton in nur wenigen Monaten rasant expandiert und verfügt nun über Geschäfte in Topinnenstadtlagen in Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Köln, Frankfurt und München. Die Ladenlokale, wie z.B. das an der teuren Königsallee in Düsseldorf sehen sehr edel aus. Dort sind die Peloton Indoor Bikes ausgestellt, welche man testen kann. Daneben gibt es Zubehör und passende Sportbekleidung. Wenn einem das Bike und Konzept zusagt, kann man sich das Gerät frei Haus liefern lassen und für 30 Tage kostenlos und unverbindlich testen.


Das Unternehmen ist seit Ende September 2019 an der NASDAQ notiert und verfügt aktuell über eine Marktkapitalisierung von USD 1.17 Mrd. Interessant ist, dass Peloton sich auf seiner Investorenwebsite als interaktive Fitness Plattform und nicht als Fitnessgerätehersteller bezeichnet. Peloton verkauft zwar Cardiogeräte, insbesondere das Peloton Bike, der eigentliche Clou liegt aber darin, dass über den am Peloton Bike angebrachten Monitor exklusiver content über das Internet gestreamt wird. Der Nutzer eines Peloton Indoor Bikes kann sich zuhause zu jeder Zeit in Live Klassen einloggen, und dann gemeinsam mit anderen, die irgendwo ebenfalls auf ihrem Gerät trainieren, einem Live Instruktor zusehen und -hören, der in einem Studio in New York oder London zusammen mit anderen Kursteilnehmern trainiert. Alle sind über den Live Stream verbunden, können sich vergleichen und virtuell abklatschen. Ausserdem gibt es On-Demand Kurse, die auf die individuellen Trainingsbedürfnisse eingehen, Personal Trainings sowie szenische Bike Touren auf berühmten Strecken bei denen man dann von zu Hause virtuell mitfahren kann.



Die Peloton Bikes sehen sehr hochwertig aus und erinnern eher an ein Designobjekt denn an ein Heimfitnessgerät. Und da man gerne zeigt, wie viel Wert auf Gesundheit und Fitness gelegt wird, dürfte die meisten, die sich so ein Gerät anschaffen, auch kein Problem damit haben, sich das Peloton Bike in das Wohnzimmer zu stellen. Im Gegenteil, nicht mehr das teure Auto in der Garage ist das Statussymbol der Zukunft, sondern das edle Fitnessgerät im Wohnzimmer.


Und falls jemand wirklich aus Platzgründen kein Cardio Gerät ins Heim stellen möchte, für den bietet das Unternehmen MIRROR eine gute Alternative. Das start-up Unternehmen aus New York hat in 2018 sein erstes Produkt vorgestellt, einen LCD Screen, auf den man mittels einer App Live Klassen oder On-Demand Kurse und One-to-One Personal Trainings streamen kann.


MIRROR showroom in Los Angeles

Der Ganzkörperspiegel mit abdeckbarer integrierter Kamera für die personal trainings sieht ausgeschaltet tatsächlich wie ein normaler Spiegel aus. Im eingeschalteten Zustand sieht man den Trainer und gleichzeitig sein Spiegelbild, so dass man sich gut bei den Übungen kontrollieren kann. Angeboten werden derzeit ca. 70 Live Klassen pro Woche aus unterschiedlichen Genres, wie z.B. Strength, Cardio, Yoga, HIIT, Pilates oder Boxing. Mirror showrooms gibt es bisher nur in New York, Los Angeles und Palo Alto. Da auch Hollywood celebrities auf social media für Mirror schwärmen, und zahlungskräftige Investoren wie Lululemon in das start-up investiert haben, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis weitere Geschäfte, evtl. auch in Europa eröffnen werden.

Die Gründerin von Mirror, Brynn Putnam, eine ehemalige Ballerina im New York City Ballet und Harvard Absolventin hat aber weit grössere Pläne als "nur" home Fitness Kurse gegen eine monatliche Gebühr anzubieten. Sie möchte mit Mirror content für alle Lebensbereiche schaffen "from fashion and beauty to medicine and healthcare" (https://www.fastcompany.com/90434763/fitness-startup-mirror-has-big-plans-including-telemedicine-were-building-the-next-iphone).


Verbraucht wenig Platz und ist interaktiv - der Spiegel von MIRROR

Die grafischen Fähigkeiten des LCD Screens mit der Spiegeloberfläche sind bereits beeindruckend. Der Weg scheint nicht mehr allzu weit zu den Hologrammen aus den Science Fiction Filmen, die mitten im Raum erscheinen. Spätestens dann dürfte das Erlebnis einer Fitness Klasse auch zuhause fast vollkommen replizierbar sein. Weitere Anbieter von digitalen Home-Fitnesskonzepten sind z.B. Hydrow (Rudern) und Tonal (Krafttraining).


Bedrohung der klassischen Fitnesscenter aus zwei Richtungen

Klassische Fitnessketten mit dem Schwerpunkt des individuellen und eher isolierten Trainings (Stichwort Kopfhörer) auf Geräten werden Kunden verlieren. Zum einen an die beschriebenen Lifestyle Konzepte, die auf Event, Musik, Gemeinschaft und Atmosphäre setzen. Diese Konzepte sprechen insbesondere junge urbane Zielkunden an, die nach der Arbeit gemeinsam mit anderen etwas erleben möchten.

Ältere und Menschen mit wenig Zeit, auch Familien werden dagegen eher von den neuen digitalen Angeboten wie von Peloton oder Mirror angesprochen. Hier kann man nach eigenem Zeitplan in Live Klassen oder One-to-One Trainings zuhause trainieren, auch mitten in der Nacht und muss nicht noch zu einem Fitnesscenter fahren. Der Coolnessfaktor mit hochwertigen und aufwändig inszenierten Live Training Klassen ist ebenfalls vorhanden.


Männer sind weniger schüchtern, an Yoga- oder Pilates-Kursen teilzunehmen, wenn dies von zuhause aus möglich ist, Teenager können zusammen mit Freunden Ballett oder HIIT ausprobieren, Hausfrauen und -männer können live mit einem Coach aus LA auf dem Indoor bike trainieren... Hier werden völlig neue Kundengruppen erschlossen, die sich gar nicht erst bei einem Fitnesscenter anmelden werden. Die Hürden zum Kauf eines Peloton Bikes oder des Mirrors und die entsprechende Registrierung sind klein: Komplett online mit freier Lieferung nach Hause. Sich vorab informieren und testen kann man die Geräte in den modernen und einladenden Showrooms, welche in guten innerstädtischen Einkaufslagen und Shoppingcentern eröffnen.

Die passiven Mitglieder der Fitnessstudios, wie in der Einleitung beschrieben, werden die neuen digitalen Angebote dankbar annehmen. Ein trendiges Fitnessgerät, das zu Hause steht und gleichzeitig Club-Atmosphäre verspricht, bietet keine Ausrede mehr, die guten Vorsätze nun nicht auch umzusetzen.


Davon ausgehend, dass die Virtual Reality Technik in den kommenden Jahren noch deutlich besser und realistischer wird, liegt hier meines Erachtens die grösste Bedrohung der klassischen Fitnesscenter. Wenn zuhause das Erlebnis einer guten Fitness Klasse oder eines personal trainings nahezu perfekt repliziert werden kann, hat das klassische Fitnessstudio ausgedient. Der einzige Mehrwert bestände dann nur noch aus dem Zurverfügungstellen von einer grossen und vielfältigen Anzahl von Fitnessgeräten. Da der Trend aber eher zu Training mit dem eigenen Körpergewicht oder ganzheitlicher Bewegung (Zumba etc.) geht, ist dieses Geschäftsmodell nicht zwingend zukunftsfähig. Die Zukunft des Fitness ist content-basiert.


Mit dem Aufkommen dieser Trends ist es fraglich, ob es den klassischen Fitnessclubs auch in Zukunft gelingt, jedes Jahr aufs Neue genügend Neumitglieder zu werben, um die Studios profitabel zu halten. Es sind daher deutliche Änderungen in der Gestaltung der Räumlichkeiten, insbesondere aber im Angebot notwendig. Dies wird insbesondere für die Ketten mit einer Vielzahl an Standorten nicht einfach sein, da eine Änderung des Konzeptes erneut hohe Investitionen verlangt und viele der Studios erst wenige Jahre alt sind. Zudem muss das Personal anders ausgebildet werden. Es ist allerdings nicht immer möglich, einen Fitnesscoach, der eher an Geräten mit seinen Kunden trainiert hat, nun vor eine Pilates oder Crossfit Klasse zu stellen, die ganz andere Anforderungen stellt. Gerade Ketten mit einer Vielzahl an Standorten werden daher nur sehr langsam auf die neuen Trends eingehen können. In der Zwischenzeit werden die Newcomer Marktanteile gewinnen und gleichzeitig die digitalen Angreifer neue Zielgruppen erschliessen, die noch nie einen Fuss in einen Fitnessclub gesetzt haben und es dann voraussichtlich auch nicht mehr tun werden.


Ähnlich wie im Detailhandel wird der beschriebene Strukturwandel insbesondere die Fitnesstudios treffen, die irgendwo in der Mitte positioniert sind und kein klares Profil haben. Discount Anbieter mit einem bequemen und günstigen Zugang zu hochwertigen Fitnessgeräten ohne viel Extras haben eine Überlebenschance, die allerdings nur über den Preis funktioniert. Die digitalen Angebote von Peloton und Co. kosten derzeit im monatlichen Abo ca. USD 40, womit Value Fitnesscenter konkurrieren können. Fitnessclubs am oberen Ende des Preissegments punkten mit Extras wie Wellness, Swimming Pools, grosszügigen luxuriös eingerichteten Studios und vor allem einer individuellen und ganzheitlichen Beratung bis hin zu Ernährungsthemen etc..


Die neuen Lifestyle Konzepte, die auf das gemeinsame Erlebnis setzen, sind auch eher im oberen Preisbereich zu finden. Im mittleren Segment fehlt es dagegen an einem deutlichen Mehrwert gegenüber den neuen digitalen Konkurrenten bei einem gleichzeitigen Mangel an Angeboten von neuen Trendsports und vielfältigen gerätelosen Angeboten. Grössere Ketten werden wohl die finanzielle Kraft haben, sich auf die veränderte Nachfrage und Konkurrenz einzustellen, was aber Zeit in Anspruch nehmen wird, in welcher sich kleinere Nischenplayer etablieren können. Einzelanbieter und kleinere Ketten können versuchen, sich auf spezielle Zielgruppen oder Angebote zu spezialisieren. So oder so wird es zu einer weiteren Konsolidierung des Fitnessmarktes in der Schweiz kommen. Mich erinnert die Entwicklung stark an die Disruption im stationären Detailhandel durch die e-commerce Konkurrenz. Detailhändler mit physischen Ladenflächen müssen entweder konsequent auf Erlebnis und Service setzen oder alternativ so günstig sein, dass sie gegenüber reinen Online Playern wettbewerbsfähig sind. Alles dazwischen ist problematisch und könnte über kurz oder lang verschwinden.


Die Schweizer Bevölkerung ist kaufkraftstark und gesundheitsbewusst, weshalb es wohl nur eine Frage der Zeit ist, bis Peloton und Mirror auch in die Schweiz kommen. In der Zwischenzeit spricht nichts dagegen, die sportlichen Jahresvorsätze in die Tat umzusetzen und die überflüssigen Pfunde der Festtage wieder loszuwerden, egal ob mit Kopfhörern auf einem Cardiogerät in einem regulären Fitnesstudio, bei Technobässen zusammen mit Freunden in einem der neuen Indoor Cycling Clubs, zuhause mit einem Yoga Lehrer live per stream aus LA oder bei einem für Körper und Seele gleichermassen gesunden Waldlauf.


Michael Dressen, Zürich, 30.12.2019

 

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